In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Hochzeiten deutlich abgenommen. Wenn bei dir immer weniger Hochzeitseinladungen eintrudeln, liegt das also höchstwahrscheinlich nicht an dir. Während sich die traditionelle Ehe langsam zurückzieht, erfreuen sich Partnerschaften ohne gemeinsame Wohnung und das Konkubinat grosser Beliebtheit. Ob ich das schlecht finde? Absolut nicht! Das liegt nicht zwingend daran, dass ich ein Scheidungskind bin. Vielleicht ist es auch einfach die Tatsache, dass ich erst im 21. Jahrhundert geboren bin. Meine Grossmutter Ruth Marty (80), die seit 56 Jahren glücklich verheiratet ist, sieht das Ganze nämlich etwas anders. Wenn sie ihren Lebenspartner als ihren Mann bezeichnen kann, ist das für sie mehr wert als nur ein Freund.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, reisen wir zurück ins Jahr 1966. Am selben Tag, an dem meine Grosseltern heirateten, zogen sie nach Spreitenbach AG. Zu jener Zeit war das Konkubinat in der Schweiz strengstens verboten. Unverheiratete Paare durften dementsprechend nicht zusammenwohnen. Da manche Kantone etwas moderater waren, hat man an gewissen Orten aber ein Schlupfloch gefunden. «Viele unverheirateten Paare zogen in den Kanton Aargau, da hier das Zusammenleben auch ohne Ehevertrag toleriert wurde. Diese Hürde war aber bestimmt auch ein Grund, wieso viele geheiratet haben», erinnert sich Ruth. Neben dem Gesetz war es auch der gesellschaftliche Druck, der viele zum Heiraten verleitete. «Wenn man ledig ein Kind hatte, wurde mit dem Finger auf einen gezeigt», führt mein Grosi an.