Vayamo: Ein weit verbreiteter Glaube über Grosseltern: Enkel werden bei ihnen häufiger verwöhnt als zu Hause. Wie wichtig ist es für ein Kind, dass es in allen Haushalten dieselben Regeln und Strukturen hat?
Pasqualina Perrig-Chiello: Kinder wollen die Welt verstehen. Sie lernen laufend Wenn-dann-Beziehungen, die ihnen Sicherheit und Orientierung geben. Und ja, am besten ist es, wenn diese kohärent sind und nicht ständig wechseln. Allerdings muss man gleich beifügen, dass Kinder schnell mal verstehen, dass es gewisse, konsistente Ausnahmen geben kann – eben wie bei den Grosseltern. Das geht gut, solange Ausnahmen und Regeln sich nicht gegenseitig widersprechen oder gar zum Zankapfel werden. Und das erwähnte Vorurteil ist in der Regel auch gar nicht der Fall: Es stimmt nämlich nicht, dass Enkelkinder generell verwöhnt werden. Auch wenn die meisten Grosseltern dazu tendieren, grosszügiger und gelassener zu sein als die Eltern, nehmen sie mehrheitlich eine kompensierende Rolle in Sachen Erziehung ein. Sie achten ganz offensichtlich im Interesse des Kindes auf eine gute Passung der Erziehungsstile.
Der Erziehungsstil kann oft zu Diskussionsstoff führen. Bis zu welchem Punkt dürfen sich Grosseltern in die Erziehung einmischen?
Grundsätzlich sollten sich Grosseltern nicht in die Erziehung der Enkelkinder einmischen. Die Verantwortung liegt bei den Eltern, ergo haben sie primär das Sagen. Einmischung ist nur im Notfall in Ordnung, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Gleichwohl ist zu sagen, dass Grosseltern auch ohne viel Zutun eine erzieherische Funktion haben, da sie – ob sie es wollen oder nicht – Modelle sind.